Ob ich denn so langsam Abschied nähme vom LGH, fragte in einer Mail eine Ex-Schülerin. Ich hielt mit dem Lesen der restlichen Korrespondenz inne, stand auf und trat in den Garten, um eine Mitternachtszigarette zu rauchen. Still lag der Sportplatz im Sommerregen, dann drang aus der TG-Kneipe eine alkoholisierte Lachsalve herrüber. Von den Balkonen der M-H Wohnung über mir tropfte es leise auf das feuchte Holz des Sonnendecks. Eigentlich müsste ihn mal wieder mähen, sinnierte ich. Das letzte Mal.
Schon lange, so kam mir dabei in den Sinn, bin ich damit beschäftigt, meine Rolle im Leben des LGH zurückzufahren. Spannt man einen Bogen vom Anbeginn der Planungsrunde im Januar 2004 bis heute, am Ende des fünften Jahres Schulbetrieb, so ist in den übernommenen Verantwortlichkeiten eine deutliche Einnischung in das System, eine Spezialisierung der Aufgabenbereiche zu beobachten. Waren im ersten Jahr meine Aufgabenfelder vielfältig und unübersichtlich, zerriß ich mich zwischen Bauausschuss, Öffentlichkeitsarbeit, Aufbauen einer Internats- und Unterrichtsstruktur, Einführen von Ritualen wie Frühkonzil, Schulabend, WG-Abende etc. (die Liste ist in der Tat eine lange), so betreibe ich in der Endphase meiner LGH-Zeit eine aktive Abwehr von Aufgaben. Vor allem von solchen, die andere Kollegen meiner Meinung nach besser lösen könnten - oder jene, für die der Kaschl das nächste Jahr ohnehin nicht mehr zur Verfügung steht. Die strukturelle Übergabe ist also in vollem Gange, und ich werde rein aufgabentechnisch keine große Lücke hinterlassen, davon bin ich überzeugt. So manches wird ohne mich wohl auch besser laufen.
Auf die Frage des Wehmuts, der potentiell mitschwingen könnte, und wie er von anderen Lehrern, die uns leider verlassen, geäußert wird, muss ich ganz ehrlich antworten, dass fünf Jahre LGH für einen Anfang/bald Mitte-Dreissiger jetzt wirklich genug sind. Es ist Zeit, mich meinem eigenen Leben, meinen eigenen Ideen, meinen eigenen Bezugspersonen zu widmen. Eine eigene Familie zu gründen. Und so gehe ich mit einem breiten, zuversichtlichen Lächeln. Das LGH ist aus den Windeln raus, und ich habe meinen Part dazu beigetragen. Der Weg vor mir ist mindestens genauso spannend, wie die Phase, die gerade ihr Ende findet. Die Verbindung zu manchem ehemaligem Schüler wird natürlich bleiben - das ist mir natürlich eine ganz wichtige Sache - aber die Kommunikation wird auf anderer Ebene, wenn möglich auf Augenhöhe stattfinden.
Big T gefällt es zwar, mich beim Mittagessen in der Mensa (wenn er mich dort überhaupt noch antrifft) immer mal wieder daraufhin anzuchecken, dass ich ja am Ende doch am LGH bleiben könnte - das Regierungspräsidium habe da so was angedeutet - und auch andere sind überzeugt davon, dass ich ja eh zurück kommen werde, weil sie mich gar nicht in einer anderen Situation vorstellen können.
Leute, Leute - ich muss darüber den Kopf schütteln. Ich bin ein ganz bestimmter Splitter des LGH-Kaleidoskops, vielleicht bin ich der 'jung gebliebene' oder 'jung bleiben wollende' Lehrer mit dem Longboard, der zwar nur noch selten mit einem Schüler verwechselt wird, aber immer noch glaubt, dass Lehrer und Schüler nicht grundsätzlich gegenläufige Interessen haben müssen. Aber die Perspektiven, die ich im kommenden Jahr gewinnen werden, gehen weit über das Lehrersein an einem Hochbegabteninternat hinaus.
Ich kann mich nicht auf diese eine Rolle festlegen lassen, weil zuviel in mir drin ist, dass sich nicht auf Dauer unterdrücken lässt - und das einer gewissenhaften Ausübung der LGH-Lehrerpflichten zum Teil auch im Wege steht.
Die Spezialisierung im letzten Jahr erlaubte mir, mich ganz bestimmten Dingen sehr intensiv zu widmen - obwohl der Herr Kaschl laut Aussage der geschätzten schuljahresendgestressten Kollegen zur Zeit 'sehr entspannt'wirkt, fließt meine Präsenszeit auf dem Campus neben dem Alltagsgeschäft fast zur Gänze in zwei mir sehr liebe Projekte: dem Schneiden einer DVD der "Leichenbraut" - und dem Bau von Longboards in der inzwischen etablierten Werkstatt. Den Rest meiner Aufgaben, muss ich ehrlicherweise sagen, wickele ich jetzt ab - die letzten Noten, der Unterricht, selbst GM-Betreuung und WG... es läuft alles entspannt und langsam aus, so wie ich es mir gewünscht habe, und so wie es auch einst in der Vorbereitungsrunde von Höchst-Salemscher Kompetenz empfohlen wurde: ich gehe mit einem vollen Akku in mein Sabbathjahr.
Der Abschied ist im Prinip also schon vollbracht. Es warten noch ein paar Höhepunkte, das Sommerfest, das Alumnitrefen, der Familientag, die Abscheidsfete. Noch ein mal den Rasen mähen. Aber ich werde keine Verschnaufpause brauchen, um das LGH-Leben hinter mir zu lassen, zu verdauen.
Denn ich bin raus mein Kind - ich gehe auf die Reise, und hab Rückenwind.
1 comment:
I like the reference to Thomas D.
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