Home: Die Werkstatt Südafrikablog: Kom die Kaap na!

7.6.10

Der wichtigste Tip von Allen: Bloß keine Angst

In fünf Tagen ist Anpfiff - und die Welt uneins in der Bewertung des Gastgeberlandes. War es am Ende doch ein Fehler, die WM ausgerechnet an Südafrika zu vergeben? Deutsche Medien tun sich besonders in der Negativ-Berichterstattung hervor. Doch Angst ist ein schlechter Ratgeber - auch für WM-Reisende. Für Mzansi gilt: Wie man in die Vuvuzela hineinstößt, so kommt es dann auch zurück.

Ängste zu schüren, hat in Südafrika eine lange Tradition: Noch in den Neunzigern gingen Parteien auf Wählerfang mit der Beschwörung der 'swart gevaar', einem Memplex, den sich die Architekten der Apartheid fein ausgedacht hatten. Solange die Menschen sich nur genug um ihre eigene Sicherheit sorgten, waren sie leicht vor den Karren jeder Menschenrechtsverletzung zu spannen - und in ihrer Meinung manipulierbar. Karl-Ludwig Günsche, Spiegel-Berichterstatter in Kapstadt, hat sich wohl eindringlich mit diesem Prinzip vertraut gemacht, und zusätzlich zu der Effektivität der Angstpropaganda anscheinend vor allem zwei Grundprinzipien aus der Journalistenschule im Ohr behalten: Good News Is No News und Bad News Travel Fast. Was der Schreiber da immer wieder aus Südafrika und Kapstadt zu berichten weiß, lässt mir in seiner Borniertheit und Selbstgefälligkeit jedenfalls den Atem stocken. Land und die Leute, wie ich sie kennen und schätzen gelernt habe, sind in seinen Berichten zur Unkenntlichkeit verzerrt.

Auch vermeintlich gut gemeinte Ansätze, wie dieses Video von Planetopia, produzieren doch vor allem eins: Unsicherheit bei den Südafrika Besuchern. Wer tatsächlich glaubt, seinen Rucksack wie ein Känguru vor sich her tragen zu müssen, oder für 150 Meter in der Stadt ein Taxi zu bestellen, macht sich nicht nur lächerlich, sondern wird vor lauter Übervorsichtigkeit garantiert nichts von all dem erleben, was Südafrika so erstaunlich macht.

Ich schlage im Sinne eines schöneren Events, einer besseren Welt und natürlich im Namen der Reinen Wahrheit statt dessen allen WM-Gästen und auch den Daheimgebliebenen vor, sich von derartiger Meinungsmache zu befreien, die europäische Brille abzulegen und dafür von der Begeisterungsfähigkeit der Südafrikaner anstecken zu lassen. Ein gutes Beispiel dafür findet man hier.

Wer schon mal erlebt hat, wie zwei schwarze Toilettenpfleger im Garden Center Kapstadt zu den aus ihrem Handy tönenden Klängen des Diski abgetanzt haben, kann sich wirklich nur fragen, wo Herr Günsche und seine Kollegen sich denn eigentlich immer rumtreiben, um ständig neue Negativschlagzeilen aufzuspüren.

Sicherlich ist Südafrika ein problematisches Land. Doch wie so oft entsteht auch hier die Realität im Kopf. Sicherheit ist kein Status, sondern ein Geisteszustand. Wer eine perfekt organisierte WM und eine satte, sichere Gesellschaft wie in Deutschland als Maßstab setzt, kann nur enttäuscht werden. Doch Südafrika ist anders, ist laut und bunt und chaotisch. Und gerade deshalb so liebenswert. Lassen wir uns den Blick auf die schönen Seiten des Events und dieses Landes nicht von Miesmachern verderben!

1 comment:

Unknown said...

Endlich!!! Danke Ulf - ich habe eine aehnliche Einstellung gegenueber der medien-gepflegten Paranoia und Angst. Ich lebe jetzt seit 12 Jahren hier und trage nie meinen Rucksack vor mir her. Es ist mir auch wesentlich weniger gestohlen worden als ich aus eigenem Stuecken verlor. Das Leben hier ist bunt und schoen. Und jedesmal wenn ich nach Europa komme, fuehle ich mich wie ein eingesperrtes Haustier. Ehrlichgesagt finde ich das erschreckender als das bunte Chaos und armutsbedingte Kriminalitaet hier. Jetzt muss Bafana Bafana nur noch gegen Frankreich gewinnen und dann habe ich keinerlei Bedenken wegen der Stimmung waehrend der WM. Drueckt alle Daumen!!!
Maya