Nun sind sich Entwicklungspsychologen, Pädagogen und Neurowissenschaftler in diesem Punkt zwar einig, flächendeckend von Lehrern umgesetzt wird diese Erkenntnis jedoch nicht. Und zu Recht fragt sich so mancher Pauker, wie das eigentlich hinzubekommen sein soll, im zweiwöchigen 45-Minutentakt eine freundschaftliche Beziehung zu unzähligen Schülern aufzubauen. Doch nicht die Struktur alleine verhindert die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Klassenzimmer - es liegt auch an uns, Lehren und Schülern, selbst.
Welches Gewicht bei der erfolgreichen Implementierung einer erhöhten Bindung die Erwartungshaltung der Betroffenen spielt, und welche Bedenken dem entgegen stehen, sieht man beispielsweise in der Entstehungsgeschichte unseres Internates - in welchem durch Doppelstunden, GM-Betreuung und Internatsbetrieb denkbar günstigste Vorraussetzungen für eine hohe Bindung zwischen Lehrern und Schülern herrschen. Die Wahrnehmung ein und derselben Situationen und Sozialgefüge, die Bewertung von Konflikten und deren Lösbarkeit jedoch ist durch zwei merklich entgegengesetze Überzeugungen gezeichnet - die Befürworter (Lehrer wie Schüler) des Campusmodells berufen sich auf die positiven Auswirkungen der persönlichen Nähe zwischen Lehrern und Schülern im Unterricht und im Internat - die Verfechter eher traditioneller Beziehungsgefüge verzeichnen gesteigerte Respektlosigkeit, und sehen eine Notwendigkeit für mehr Konsequenzen und straffere Sanktionierung von Fehlverhalten (wiederum Lehrer wie Schüler).
Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten erinnere ich mich mit etwas Wehmut an die 'gute alte Zeit' des LGH - bzw. an die Gründungs- und Planungsphase: Eine Schule zu bauen, in der Schüler und Lehrer an einem Strang ziehen, war unser definiertes Ziel, mit dem höchstministeriellem Auftrag, die Schule neu zu erfinden.
Dieser Auftrag kam von der heutigen Bundesbildungsministerin Anette Schavan - und wir am LGH täten gut daran, uns diesem Auftrag zu stellen, statt im Klein-Klein des Alltags frustrierende Sanktionierungsmodelle zu entwerfen um Probleme mehr schlecht als recht in den Griff zu kriegen, die wir meines Erachtens in der Kommunikation besser lösen könnten.