Home: Die Werkstatt Südafrikablog: Kom die Kaap na!

26.8.07

Segeln in der False Bay

Ein wunderschöner Tag mit Alex, Antje und Wiebke. Auf der "Snowgoose" sind wir raus gesegelt, und haben Wale gesucht - und auch gefunden. Zum Mittag gab es Chicken, und Sonne den ganzen Tag...pures Glück also.

Am Zaun

Ich stehe vor dem improvisierten Grill und versuche, mit dem nassen Holz ein Feuer in Gang zu bringen. Im Kofferraum meines Autos taut ein Hühnchenschenkel auf, der auf sein nahes Ende hofft. Das Feuer will und will nicht in Gang kommen. Meine Augen tränen, der Qualm der müde glimmenden Äste mischt sich mit dem Motttenkugelgeruch der Anzündhilfe, steigt mir in die Nase, in die Kleider, in die noch feuchten, salzigen Haare.

Es ist Winter und ich bin aus Kapstadt geflohen, um einen klaren Kopf zu bekommen. An der Westküste liegt ein kleiner Ort, dessen Name bei Wellenreitern und Menschen, die die Abgeschiedenheit lieben, einen schwärmerischen Blick ins Gesicht zaubert: Elands Baai, ein langer weißer Strand mit wilden Dünen und einem point break, also Wellen, die um eine Landzunge herum brechen, und dadurch schön geordnet herein kommen und einen langen Ritt ermöglichen, weil sie langsam von links nach rechts brechen.

Ich zelte auf dem Campingplatz direkt am Strand, die Wellen sind von hier gut zu hören, der Blick wird nur von ein paar dürren Büschen versperrt.

Ich bin also in Elands Baai und versuche, mein Feuer in Gang zu bekommen. Den Tag über habe ich mit dem Versuch verbracht, auf die Welle zu kommen, meine Arme fühlen sich an wie weichgekochte Spaghetti, der Rücken schmerzt gemein, dort wo mich die Finne bei einem wipeout erwischt hat. Ich bin leider nicht alleine auf dem Platz, zwei Hecken weiter hat eine Gruppe weißer Rugbysüdafrikaner hinter Monsterpickuptrucks ihre Zelte aufgebaut. Die Red Hot Chilli Peppers plärren ihren Rocksound in die Natur, die Rugbyspieler, es sind vier, einer dicknackiger als der andere, trinken Bier und stehen ebenfalls um ein Feuer herum, welches natürlich schon gut brennt. Sie rufen sich gut gelaunt Sprüche zu, die nackten Oberkörper gut gebräunt bis sonnenbrandrot. Einer sticht durch seinen Körperbau besonders hervor, seine Muskeln türmen sich auf seinem Brustkorb zu zwei massigen Fleischmassiven. Wir haben uns begrüßt, die gegenseitige Anwesenheit mit einem Howzit und ein paar Sprüchen zur Kenntnis genommen. Zu jedem der vier gehört noch eine Bikinischönheit. Keine davon würdigt mich auch nur eines Blickes. Nun gut.

Menhier! Menhier! Ruft es durch den Zaun. Ich blicke auf. Ein paar Meter von mir stehen drei schwarze Jungs, zwischen acht und zwölf, die Finger in den Maschendraht gekrallt. Es ist mir selber peinlich, aber sofort stellt sich Unbehagen ein. Ich weiß, was jetzt kommt. Sie werden um etwas zu essen betteln, und ich werde ihnen nichts geben. Sie werden sagen, sie haben Hunger, und ich werde sie fragen, warum sie nicht in der Schule sind, und sie werden sagen, dass sie das Schulgeld nicht aufbringen können, weil die Eltern tot sind, und sie ganz alleine auf der Welt, und dass sie sich vom Angeln ernähren. Sei werden dastehen, in ihren zerrissenen Kleidern, und ich in meiner Cape Storm Outdoor Uniform, sie mit ihren nackten schrundigen Füßen, und ich mit meiner Garnitur an Schuhen, zwischen denen ich je nach Gelegenheit auswählen kann, mit meinem Zelt, meinem dicken Auto, und dem auftauenden Hähnchenschenkel im Kofferraum, und sie werden rufen, Bitte, bitte, wir haben Hunger. Und ich werde ihnen sagen, ich gebe nichts, ich unterstütze das nicht, dass mit dem Betteln, ihr müsst in die Schule gehen und lernen, sonst wird das nie was mit diesem Land, ihr habt doch bestimmt Onkel und Tanten, die euch unterstützen, jeder hat hier jemanden, und ihr müsst euch die Möglichkeit schaffen, euer Leben selber in die Hand zu nehmen, nicht nur auf Almosen warten, und damit abhängig sein, sondern selbstständig werden - aber das ist alles viel zu kompliziert, als das es durch den Zaun überzeugend wirkte, und das weiß ich. Meine Argumente sind viel zu weit weg, überzeugend zwar, für mich, rational und abgeklärt, aber für sie nicht verständlich. Ich werde zur letzten Waffe greifen, und sagen, dass ich schon so vielen was gegeben habe, und schon so viele stories gehört habe, und dass ich nicht alleine das ganze Land unterstützen kann, ich geben schon so vielen. Und dann werde ich sie ignorieren, ihre Blicke ertragen, während ich in meinen Sachen krame, vorgebe, beschäftigt zu sein.

Sie ziehen schließlich ab, nicht ohne bei mir einen den Beigeschmack des missverstandenen Wohlmeinenden hinterlassen zu haben. Das Feuer zieht immer noch schlecht.

Bei den Rugbyspielern haben sie genauso wenig Erfolg, dafür ist dort der Austausch lebhafter. In den markigsten Afrikaanswörtern beschimpfen sich die Parteien schließlich aufs übelste, und der Muskelberg ruft bei seinen Kollegen kreischendes Lachen hervor, als er in Imitation des schwarzen Akzents Affenlaute von sich gibt, und mit schleifenden Armen über den Platz tobt, als wäre er Donkey Kong auf Speed.

Die Situation ist so typisch. Ich kann es den Rugbyspielern nicht einmal übel nehmen, dass sie nicht auf das Betteln der Jungs eingehen, genervt sind von dem ständigen angequatscht werden, von den Geschichten, die man ungefragt in den Gehörgang gedrückt bekommt. Und es ist tatsächlich so in Südafrika, dass man meistens Stories zu hören bekommt, von denen man weiß, dass sie nicht stimmen. Unterstütze ich dieses System, werde ich dazu beitragen, dass mehr und mehr gebettelt wird. Jeder Bissen, jeder Rand, der das Betteln lohnend macht, trägt letzten Endes dazu bei, das Land im Ungleichgewicht zu halten.

Und trotzdem, die unmittelbare Situation bleibt. Wenn ein Mensch Hunger hat, dann gib ihm zu essen.

Später am Abend ärgere ich mich. Was hat mich eigentlich daran gehindert, zu sagen, kommt rüber, wascht mein Auto, und dafür kriegt ihr ein paar Sandwiches? Die Idee kam mir gar nicht in den Sinn: ich wollte nur schnell aus dieser Situation heraus, die unangenehm wahr, weil sie mich den Spiegel blicken ließ - und mich außerdem davon abhielt, mit meinen Spaghettiarmen eine Flasche Bier zu öffnen und ins Feuer zu pusten.

13.8.07

Am Strand

Fährt man über die R44 von Kapstadt aus nach Hermanus, kommt man an einem Strand vorbei, der Kogelbay heißt. Hoch oben am Fels entlang führt die Küstenstraße, die dem deutschen Fernsehzuschauer aus vielen Autoreklamen bekommt vorkommt, und deren Erinnerung dem Kapstadt Afficonado im Exil vor Sehnsucht die Tränen in die Augen treibt. An diesem Strand saß ich gestern abend, um den Sonnenuntergang zu genießen, angenehm ermüded von einem herrlichen Tag im Wasser und am Strand. Auf einem runden Fels, die Beine angezogen, der Himmel brennend, mit rosa Wolkenfetzen, eine Tafel Cadbury Schokolade Fruit & Nuts war auch dabei.
Die Wellen, die hier an den Strand schlagen, sind ab einer gewissen Größe perfekt geformt, und so schnell, dass sie die fantastischen Supertubes bilden, die man von Traumpostkarten aus Hawaii kennt.

Die tief stehende Sonne zaubert eine goldene Straße auf den Ozean. Die Schokolade schmilzt und klebt süß am Gaumen. Plötzlich, draußen im Gegenlicht, umrahmt von Schaumkronen, ein schwarzer Punkt. Ein Wellenreiter treibt dort im Wasser, wo die Brecher mit voller Wucht hineindonnern, schwimmt wie ein Korken auf den hereinrollenden Brechern auf und nieder. Er wartet - setzt sich auf sein Brett, späht hinaus.


Dann - die perfekte Welle. Er dreht sich schnell um, legt sich bäuchlings aufs Brett und padddelt kurz an. Die Welle kommt, und nimmt den Surfer mit. In einer fließenden Bewegung springt der Surfer auf sein Brett, steht geduckt, dreht in die Welle, deren Kamm droht jeden Moment über seinem Kopf zu brechen, ihn vom Brett zu holen, doch er ist schneller, entwischt immer wieder und wieder der krachenden Gischt.
Ein Moment, zeitlos, ewig.

9.8.07

Trennung

Das Leben spielt und hört nicht auf. Wie soll man damit umgehen, wenn Träume sich zerschlagen? Katharina und ich gehen wieder getrennte Wege.