Home: Die Werkstatt Südafrikablog: Kom die Kaap na!

30.12.11

Mit dem zweiten sieht man besser?

In einem blog kritisch über das Fernsehprogramm herzuziehen ist wahrlich keine Kunst. Doch warum in aller Welt wird sich irgendjemand zwei laufende Fernseher in ein und dasselbe Zimmer stellen? Eine Spekulation.

Ein Vorteil unserer Wohnung ist die wirklich ausgezeichnete Fernsicht über das beschauliche, sich langsam zum Großstadtmoloch Stuttgarts verbreiternde Nesenbachtal. Auch der lieben Nachbarn Fenster in nächster Nähe sind gut einsichtig. Da ich Vater eines Kleinstkindes bin, komme ich zwischen zwei Windeln oder dem Wiedereinführen des aus dem kindlichen Munde gefallenen Schnuller durchaus in den Genuss, auch zu unmöglichen Tages -bzw Nacktzeiten in die Wohnungen zu lunzen. So manche Szene ist dabei nicht nur witzig oder beschaulich.

Seit Neuestem, genauer, seit Weihnachten, ist die Nachbarschaftsshow allerdings um eine Merkwürdigkeit reicher. Da laufen in einer Wohnung, in einem Zimmer sogar, zwei Fernseher gleichzeitig. Und zwar die ganze Nacht, wie regelmäßige Stichproben eindeutig belegen. Was ist da los? Die dazugehörigen Menschen sind fast nie zu sehen, nur selten huscht ein Schatten kurz vorüber.

Sind es Eheleute, die da Nacht für Nacht parallel fernsehen, weil sie aus Gewohnheit beim Fernsehen einschlafen, aber unterschiedliche Programme dafür brauchen? Oder ist es doch ein Vereinsamter Sonderling, der ein überbordendes ADHS Syndrom zu befriedigen sucht? Handelt es sich gar um eine Chimäre, siamesische Zwillinge, die sich nicht auf ein Programm einigen können? Oder ist es ein Wutbürger, der auf diese Weise das durch die wegfallenden Montagsdemos aufgetretene Lärmdefizit in seinem Leben kompensiert? Niemand weiss es.

Nur komisch, dass eigentlich ein einzelner Fernseher reicht, um festzustellen: Life's too short to watch TV.

14.12.11

Literarisches Dinner in der Villa Keller Saarburg

Literatur und Wein passen ja bekanntlich bestens zusammen, Literatur und Musik ebenso, wie hier bewiesen wird, und dass Literatur mit erstklassigen Dinner ebenso ein Garant für einen erfüllenden Abend ist, konnte erleben, wer sich am 26. 11. in das in vorweihnachtlicher Stimmung erglühte Saarburg begab. 




Auf Einladung der Familie Müntnich durfte ich in deren Villa Keller Auszüge aus 'Roadmovie Kapstadt' zwischen die Gänge schieben - und diese selbst in mich hinein. Dazu gab es eine hervorragend ausgewählte und kompetent vorgestellte Auswahl an Moselweinen, von denen ich gerne noch mehr genossen hätte, wären da nicht gewisse Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit des Geistes mit ebendiesem sowie einer klaren Aussprache in der Natur der Sache.




Es ist ein bestechendes Konzept, das für den Genuss mit allen Sinnen steht: Ein gediegener Veranstalungstort, eine Sterne-verdächtige Küche, ausgelesene Weine - und dazu ein Autor, der die besten Passagen aus seinem Werk vorstellt. 31 Literaturabende hatten Autoren des édition trèves Verlages auf diese Art und Weise bereits im Hotel Villa Keller in Saarburg bestritten - ich durfte nun also als 32igster ran. Und die Fahrt nach Saarburg hatte sich tatsächlich gelohnt, bereits bei Anfahrt war mir das Wasser im Munde zusammengelaufen. Jakobsmuscheln vorneweg, dann ein Lammbraten, zum Abschluss eine Apfeltarte - besser hätte man das Essen zu einer südafrikanischen Lesung gar nicht auswählen können.

Natürlich ließ ich mir die Gelegenheit nicht nehmen, auch in dieser Runde auf die ehrenvolle Arbeit des Cape Windjammer Education Trust hinzuweisen, und durch den Verkauf von Kikois und südafrikanischem Weihnachtsschmuck noch den ein oder andern Euro an Spenden zu generieren. 


Wie bei vielen meiner bisherigen Lesungen ergaben sich im Anschluss noch lebhafte Gespräche mit anderen Südafrikakennern, von denen es in Deutschland mehr zu geben scheint als man zunächst glauben könnte. Nicht immer ist man bei diesen Begegnungen einer Meinung, was etwa die Bewertung des Fortschrittes zu einer zivilen Gesellschaft oder der Integrationsbemühungen angeht - was bei einem komplexen Land wie Südafrika und der Vielschichtigkeit seiner Probleme auch nicht wirklich verwundert. Und doch - stets erkenne ich das verräterische Aufblitzen in den Augen meiner Gesprächspartner, wenn die Frage kommt: Und, wann geht es wieder runter?

Soon, soon, I hope...

9.12.11

Roadmovie meets Piano

Die Benefizlesung im Mainzer Baron war auch ein Test für das Format der musikalischen Lesung - und gleich ein durchschlagender Erfolg. Adrians Improvisationen erlaubten den Zuhörern doch, den doch recht intensiven Texten in Ruhe (naja...:-) nachzuhängen. Auch mir selber machte das Lesen viel mehr Spaß als sonst, nicht nur dass ich mich aus reiner Sentimentalität freute, mal wieder mit Adrian auf einer Bühne zu stehen, sondern weil die Musik auch wirklich unter die Haut ging.

Wer sich selber überzeugen möchte, kann sich hier ein youtube Video dazu anschauen:


A Taste of Africa: Musikalische Benefizlesung im Mainzer Baron


Mit Kulturevents Spendengelder akquirieren – das könnte in Zukunft eine tragfähige Säule der FoCWET Arbeit werden. Nach dem erfolgreichen Konzert des Pianisten Boris Pohlmann im letzten Jahr fand am 13.11. 2011 eine Benefizlesung meinerseits im Mainzer Baron statt – etwa 40 Zuhörer erlebten ein Gesamtkunstwerk bestehend aus Bildern, Texten und Musik zum Thema Südafrika und genossen danach bei angeregter Diskussion noch den ein oder anderen Teller Butternutsuppe. Als Bilanz können wir von FoCWET stolz einen Erlös von 240 Euro vermelden  – Geld, das direkt in das Sail Training Programm 2012 des Cape Windjammers Education Trust fließen wird. Besonders stolz war ich auf die erstmalige Begleitung durch meinen Freund Adrian F. Meyer - ein junges Ausnahmetalent in vielerlei Hinsicht. An diesem Abend stellte er sein Können am Flügel in den Dienst der Guten Sache.



Südafrika ist kein einfaches Land – und doch eines, das begeistert. So könnte man die Botschaft des Abends im Baron zusammenfassen. Textauszügen aus 'Roadmovie', die von den Grautönen zwischen den Licht- und Schattenseiten der jungen Republik erzählen, wurden durch die Kombination mit prägnanten Bildern und den Klavierimprovisationen von Adrian äußerst lebendig: Während Alexander, der Protagonist von Kaschls „Roadmovie Kapstadt“ bei seinen Abenteuern am Kap zwischen Verliebtheit und Erschrecken hin und her gerissen wird, ließ Adrian in sein Klavierspiel mal verfremdete Zitate aus der südafrikanischen Nationalhymne oder Klassikern wie „Pata Pata“ einfließen. Wort, Bild und Musik ergänzten sich im Wechselspiel hervorragend und schafften es für eine knappe Stunde, die aufmerksame Zuhörerschaft ans Kap der Guten Hoffnung zu entführen. So mancher Zuhörer wäre wohl gerne noch länger dort geblieben - mich eingeschlossen.

Vor diesem Hintergrund präsentierte sich FoCWET an diesem Abend als eine Organisation, der die Schwierigkeit, aus Deutschland heraus Unterstützung für ein fernes Schwellenland zu organisiern, wohl bewusst ist.
„Die Leute sind leichter zum Spenden zu bewegen, wenn sie hungernde Kinder sehen, oder wenn es um den Bau eines Brunnens geht“, konstatiert Stephanie Fenske, Kassenwärtin des Vereins. „Das ist auch verständlich. Was wir also leisten müssen, ist, die Bedeutung des CWET Ansatzes nicht nur für Südafrika deutlich zu machen.“
Und die Vereinsvorsitzende Anja Steting ergänzt: „Es geht ja nicht um ein paar Jugendliche aus den Townships, die Lust aufs Segeln bekommen sollen. Letztlich geht es darum, Multiplikatoren einer selbstbestimmte Lebensweise jenseits der Mechansimen von Armut, Diskriminierung und Gewalt für die Bildung einer stabilen Gesellschaft fit zu machen.“
Die ganz große Vision sei dabei ein bisschen von der Idee der "Welt im Kleinen" inspiriert. Südafrika mit all den Problemen, wie die Kluft zwischen Arm und Reich, den Hautfarben und Religionen, könnte durch die Lösung derselben Beispiel auch für unsere Gesellschaft werden. "Helfen wir der Südafrika, Antworten auf diese Probleme zu finden, erstellen wir dabei Visionen für das friedliche Zusammenleben auf diesem Planeten allgemein.“

Die Zuhörerschaft jedenfalls schien von den gebotenem Programm und den Ausführungen der FoCWET Leute gleichermaßen angetan. Und so mancher konnte neben einem erworbenen Buch oder Kunstgegenstand auch das Gefühl nach Hause nehmen, eine gute Sache unterstützt zu haben.

13.2.11

Zum Valentinstag: Forget Paris!

Was ist wirklich wichtig im Leben? Die Liebe! findet zumindest News from Nowhere. Auch in der Protesthauptstadt mehren sich die Anzeichen für eine neue, romantische Revolution,  die am liebsten die ganze Republik entzünden sollte. 

Neulich. Mein Gesäß dem Drahtgeflecht einer Innenstadtsitzbank anvertrauend wartete ich auf meine Frau. Dies ist kein bemühtes chauvinistisches Klischee. Ich warte gern, die Gewissheit, dass sie mich bei Rückkehr stets aufs Neue bezaubert, trägt sicherlich dazu bei. Außerdem lasse ich dabei die Gedanken schweifen, und das ist in vom Frühfrühjahrslicht durchfluteten Fußgängerzonen besonders schön.

Einkaufspassagen sind die Laufstege unserer Gesellschaft. Bundesweit genormt durch Backshopmafia, silberfarben gewandete Stummschausteller sowie Quotenhandyladen und so unverwechselbar wie frische Hühnerscheisse,  finden sich jenseits der unaufhaltsamen Starbuckianisierung stets auch stadtspezifische Nuancen.

Stuttgart beispielsweise ist dank überproprotionalem Schicksenanteil und Porschefahrergehalt von jeher unverwechselbar. Seit einiger Zeit zeichnen sich seine Bürger aber zudem durch, je nach Aussage mit Stolz der Wutbürger oder aber Todesverachtung der Besserwisser am Revers getragene, Oben Ohne oder Oben Bleibende Botschaften aus. Kluge Köpfe wussten schon immer, dass sich bei zwei Streitenden ein Dritter freuen wird, das ist in dem Fall wohl die Buttonpressmaschinenherstellerindustrie. In U-Bahn und am Arbeitsplatz aber, beim Einkaufsbummel oder Kneipenbesuch ist der Zankapfel Bahnhof stets im Blickfeld, und irgendwann fragt man sich, ob das auf Dauer gut ist, wenn politische Überzeugungen derart plakettiv aufeinander prallen. Irgendwie fehlt einem doch die versöhnliche Alternative, die Aussage Egal 21 aber würde wahrscheinlich auch mehr als Provokation denn Lösung des Problems empfunden.

Wie auch immer, ich ließ meinen Blick entspannt über die an mir vorbeiwimmelnde Masse politisierter Schwaben gleiten, da wurde ich, etwas weiter hinten, erst noch verdeckt, aber dann immer deutlicher, einer Erscheinung gewahr. Ein Mann mittleren Alters, in Rindslederjacke und Perustrickmütze, bärtig, aber nicht ungepflegt, der mit beiden Armen ein buntes Schild mit der Aufschrift 'Umarmungen umsonst!' in die Höhe hielt. Vom Typ her weder Sektenseelenfänger noch beim letzten Crash pleite gegangener Börsianer schritt der Schildträger, anscheinend mit sich und seiner Welt im Reinen, und mit bemerkenswerter Kondition der Schultermuskelpartie, stoisch lächelnd durch die ihn ignorierende Menschenschar. Ein Tourist bat ihn, ein Foto machen zu dürfen, aber soweit ich das beurteilen konnte, nahm niemand vom eigentlichen Angebot Gebrauch.
Nun gut, ist das Darshan Mem auch hier angekommen, dachte ich noch, und da kam auch schon meine eigene Quelle der Erleuchtung flotten Schrittes aus dem Karstadt und alle Gedanken an Jesus- und andere -freaks entflogen durch ein Loch in meiner Schädeldecke.

Doch die Idee ließ mich nicht los: Stuttgart - Stadt der Versöhnung? Der fühlbar ausgetauschten Zärtlichkeit über die Gräben der Geschlechter, und der Religionen, der Kulturen, der politischen Instrumentalisierung, der Prosperität hinweg? Warum eigentlich nicht?

Visionen von sich küssend in den Armen liegenden Baumschützern und Deutsche Bahn Funktionären wies mein geistiges Auge aus rezeptionsästhetischem Widerspruch zunächst noch zurück, aber spätestens bei der Vorstellung, wie Moppelmappus und Griesgramgangolf Hand in Hand über die Stäffeles laufen könnten, hinab über den Kessel blickten und das Land milde regierten zum Wohle aller Stuttgarter und Schwaben und überhaupt aller Menschen, da wurde mir doch sehr warm ums Herz.

So einfach geht das: Ruf mich an!
Und als ich dann wenig später die in obigem Foto verewigte Botschaft entdeckte, wurde mir klar:
 Forget Paris - Stuttgart muss fortan die wahre Stadt der Liebe geheißen werden!
Oder zumindest 'das Paris der Herzen'...

Eine Gesellschaft, in der man einfach nur zum Hörer greifen muss, um in das Paradies gegenseitiger Gefühlsbejahung einzutreten, da werden doch auch politische Streitigkeiten das zwischenmenschliche Gefüge nicht auf ewig belasten, oder?

Wie heißt es bei John Lennon? All you need is love. 

Happy Valentines Day, Benztown.