Home: Die Werkstatt Südafrikablog: Kom die Kaap na!

31.5.10

Tips für WM Reisende: Afrikaans in fünf Minuten

Die einstmalige 'Unterdrückersprache' Afrikaans wird von der Weltöffentlichkeit zu Unrecht als nur eine weitere Kuriosität der babylonischen Verwirrung im WM-Gastgeberland wahrgenommen. Sie ist aber nicht nur wichtigste Verkehrssprache in weiten Teilen des südlichen Afrikas – sie würde dank reduzierter Grammatik auch ein perfektes Esperanto mit germanischem Lexempool abgeben. Überdies ist sie inzwischen Beispiel gelungener Interkulturalität. News from Nowhere gibt seinen Lesern mit einem Ultracrashkurs Einblick in die für Deutsche am einfachsten zu lernende Fremdsprache der Welt. Es lohnt sich – nicht nur weil man auf Afrikaans hervorragend fluchen kann.

'Vars geelbek!' Wer Afrikaans spricht,
kriegt frischen Fisch direkt vom Fischer nochmal günstiger.


War Ihr Fremdsprachenunterricht auch mehr Qual als Freude? Waren Grammatiken voller Ausnahmeregeln ein rotes Tuch, und sind die skurrilen Ausspracheregeln des Englischen nicht heute noch rätselhaft? Dann gibt es gute Nachrichten - wem Englisch oder Xhosa Mühe macht, kann sich bei einer Reise ins WM-Land vielfach einfacher mit Afrikaans durchschlagen.

Gegenwart, Zukunft, Vergangenheit: mehr braucht der Bure nicht, um jegliche Feinheiten aller vorstellbarer Lebenssituationen zu beschreiben. Die Bildung der Zeitformen ist im Handumdrehen lernbar, und wird durch die Nichtflexion der Verben erleichtert - alles ist Infinitiv, lediglich ein Zeitmarker wird voran gestellt. Mehr Theorie ist nicht, steigen wir also gleich ein, und lernen die ersten wichtigen Sätze:

'Ek eet boerewors.' (Ich esse Burenwurst.)
'Hy/Sy eet boerewors.' (Er/sie ißt Burenwurst.)
'Ons eet boerewors.' (Wir esssen Burenwurst.)

Genau, alles bleibt immer gleich, nur die Personen unterscheiden sich. Werfen wir nun einen Blick in die Vergangenheit: Ganz Ähnlich wie im Deutschen gibt es dafür eine Konstruktion mit het ...ge(+Infintiv).

Also:
'Ek het boerwors geet.' (Ich habe Burenwurst gegessen.)
'Hy het boerwros geet.' (Er hat ... genau....) usw.

Die Zukunft wiederum zeigt das kurze Wörtchen 'sal' (sollen) an:
'Ek sal boerwors eet.' (Ich werde Burenwurst essen.)
Ausnahmen zu diesen Regeln gibt es keine. Gar keine.
Auch bei den Artikeln kann man es sich einfach machen: Alles ist 'die':

'die man' (der Mann),
'die vrou' (die Frau),
'die kind' (das Kind).

'Sorry! Waar is die regte straat na Stellenbos?'
Wer auf Afrikaans nach dem Weg fragt, ist schon mal kein doofer Tourist.

Einzige Herausforderung mag zunächst die Aussprache bleiben: Doch folgt man drei simplen Regeln, nämlich 'g' wie 'chchch', 'oe' wie 'u' und 'itije' wie 'iki' auszusprechen, wird schon manches klarer. Selbst die Lektüre kurzer Zeitungsartikel kann man damit betreiben und wird erstaunt feststellen, dass man beim laut sich selber vorlesen auf einmal versteht, worum es geht, obwohl da vorher nur Bahnhof stand. Fortgeschrittene rollen außerdem das 'r' hart und kurz, und klingen damit bereits wie mit einer Burenwurst im Mund geboren.

Zu gut, um wahr zu sein? Es kommt noch besser, denn der erfolgreichen Kommunikation fehlt jetzt nur noch eines: Wörter lernen. Und das kann sich für den Deutschkundigen oftmals als wahrhaft ulkige Angelegenheit erweisen. 'Mans geslagsorgan verslapping' zum Beipiel bezeichnet Impotenz, während man sich mit 'lekker slaap' des Nächtens in seine 'kammeren' verabschiedet.

'Ek will Afrikaans leer praat'.
Afrikaanslernende zaubern auch dem verkniffensten Local ein Lächeln ins Gesicht.


Nun zum wichtigsten und unterhaltsamsten Aspekt einer jeden Sprache: den Kraftausdrücken. Von diesen gibt es im Afrikaans eine endlose Vielzahl. Dem ländlichen Umfeld seiner Genesis geschuldet, schöpft die Burensprache ausdauernd aus Fäkal- oder Sexualmetaphorik. Gepaart mit der markigen Aussprache erhält man einen bunten Reigen herzerfrischender Phrasen, zum Beispiel: 'Gaan kak in die millies!' Die Aufforderung, ins Maisfeld zu scheißen, bedeutet natürlich nichts anderes, als dass der Redner dem Rezipienten damit bedeutet, dessen Anwesenheit nicht länger ertragen zu wollen - ein nützlicher Satz, um sich politischen Diskussionen, anstrengenden Affären oder aufdringlichen park guides zu entziehen (bei letzteren ist in der Diktion allerdings etwas Vorsicht geboten!). Die Anrufung des mütterlichen Genitals des Gesprächspartners mit dem putzigen Sätzchen 'Jou ma se puss!' ist ein weiterer Klassiker, und scheint bei jeder vorstellbaren Kommunikationssituation als Affirmativ angebracht.

Es kann bei so vielen Vorzügen also nicht verwundern, dass Afrikaans sich bester Gesundheit und allgemeiner Beliebtheit erfreut. Auf den Straßen Kapstadt jedenfalls ist sie die meist gesprochene Sprache, von Weiß und Schwarz und so ziemlich allem zwischendrin. Comedy, Soap und Popkultur sind ohne Afrikaans nur halb so witzig, und keine Sprache hat sich als so flexibel und aufnahmefähig für Lexeme anderer Sprachen gezeigt.

Es ist typisch südafrikanische Ironie des Schicksals, dass die einstmalige 'Sprache der Apartheid' heute die interkulturelle Lingua Kaapa geworden ist.

26.5.10

Booklaunch: Roadmovie Kapstadt

Was lange wärt, wird endlich gut: Heute halte ich die ersten druckfrischen Ausgaben meines Debütromans in den Händen. Und zwar keinen Moment zu früh, bereits morgen werde ich das Buch in meiner Heimatstadt Trier der Öffentlichkeit präsentieren.




Statt lange darüber zu reden, hier ein Auszug aus der Pressemitteilung des Verlags edition treves:

‚Roadmovie Kapstadt’: Porträt einer wilden, schönen Stadt


Der Nachwuchsautor Ulf Iskender Kaschl zeichnet in seinem spannenden Debütroman ein ehrliches Bild der Post-Apartheidsgesellschaft.


Unrecht und Schönheit, Rassismus und Freiheit: Südafrika als multikulturelle Nation balanciert auf der Messerschneide zwischen gelungener Neuerfindung und Auflösung. Inmitten der Aufbruchstimmung der Neunziger Jahre gerät ein junger deutscher Student in einen Strudel aus Abenteuer, Romantik und Grenzerfahrung. Das Land und sein problematisch-hoffnungsvoller Wandel lassen ihn nicht los. Seine Erlebnisse verdichtet er zu einem Roman am Kap der Guten Hoffnung, der jetzt im édition trèves Verlag erscheint. Pünktlich zur Fußball-WM startet der Autor auf eine Lesetour durch Deutschland.


Südafrika fasziniert. Insbesondere die wunderschöne Kapregion mit ihrem gemäßigten Klima hat es den Deutschen angetan. Land und Leute sind jedoch nicht leicht zu entschlüsseln, die junge Nation findet sich oft in Widersprüche verstrickt. Roadmovie Kapstadt bietet dem Leser einen differenzierten Zugang zur Post-Apartheidsgesellschaf: Ohne zu beschönigen, aber auch fern von Paranoia und Stereotypen, nutzt der Autor die Komplexität des südafrikanischen Gesellschaftsgefüges als Hintergrund für einen spannende innere und äußere Entedeckungsreise. Besonders empfehlenswert für Südafrikabesucher und –kenner, die sich nicht von Postkartenidylle blenden, oder mit vorgefertigten Meinungen zu „einem der gefährlichsten Länder der Welt“ abspeisen lassen wollen. Doch auch passionierte Leseratten, die lieber nur im Kopf verreisen, kommen auf ihre Kosten.


Der Roman erschließt sich auf zwei Ebenen.

Vor gut 10 Jahren: Nelson Mandela führt als erster demokratischer Präsident ein Land, das soeben dem rassistischen System der Apartheid den Rücken gekehrt hat. Der deutsche Student Alexander verbringt ein aufregendes Jahr in der angeblich schönsten Stadt der Welt.

Und heute: Alexander, zwischenzeitlich Lehrer in Deutschland, kehrt nach Südafrika zurück und findet ein radikal verändertes Land vor. Verblüfft begibt er sich auf eine Reise entlang der alten Pfade.

Aus der Verflechtung der Handlungsstränge entsteht eine kaleidoskopische Liebeserklärung an diese wilde, schöne Stadt und die schillernden Figuren, die sich wie Strandgut in ihr versammeln. Abgerundet wird das Bild durch eingefügte Kommentare ihrer Bewohner, die aus verschiedensten Perspektiven über ihre Stadt berichten.


Ulf Iskender Kaschl wurde in Trier geboren. Zweimal lebte er jeweils für ein Jahr in Südafrika: vor 10 Jahren und 2009/2010. Gerade hat er dort geheiratet und kommt kurz vor der Premiere des Romans zurück nach Deutschland. Als Gründungsmitglied des Fördervereins Friends of Cape Windjammers e.V. in Deutschland und Unterstützer der NGO Cape Windjammers Education Trust mit Sitz in Kapstadt bringt er sich in den gesellschaftlichen Wandel der jungen Republik aktiv ein.


Roadmovie Kapstadt, Ulf Iskender Kaschl, 2010. Erschienen beim édition trèves Verlag, ISBN 978-3-88081-605-3.

14,80 €


Es würde mich freuen, möglichst viele von Euch auf der Lesetour im Juni kreuz und quer durch Deutschland zu treffen! Bis dahin...

21.5.10

Football Friday: Niederlage für die Fifa

Football Friday nennen sie es: Jeder, vom Politiker bis zum Angestellten, vom Tankwart bis zur Office-Schlampe wird ermuntert, Freitags Flagge zu zeigen, und sich ein Bafana Bafana Trikot überzuziehen. Und tatsächlich, im Laufe der letzten Wochen zeigten sich zunehmende Mengen in kanariengelb und grasgrün. Am Rande dieser Aktion zeigt sich, dass die Fifa mit ihrem Merchandise-Monopol nicht immer gewinnt.

Der Fußball gehört dem Volk - der Profit an der WM nicht.

Noch 24 Tage bis zur WM – und die Negativschlagzeilen über das Gastgeberland wollen nicht abreißen. Erst die Verzögerungen im Bau der Infrastruktur. Dann tauchen Namen wie Eugene Terre'Blanche und Julius Malema, für die sich bis vor kurzem in Europa keiner interessierte, in der internationalen Presse auf, die sich über die Probleme des Regenbogenstaates ereifert. Wie bringt man aber in diesen schwierigen Zeiten ein Land dazu, geschlossen hinter der Fußballnationalmannschaft zu stehen?

Auch Deutschland tat sich nicht immer leicht mit seinen Kickern. Vor dem Sommermärchen 2006 konnte ich mir persönlich kaum etwas peinlicheres vorstellen, als mich mit schwarz-rot-gold zu assoziieren und stolz auf ein paar Prolos mit üblen Frisuren zu sein, die mich angeblich repräsentierten. Und Südafrika ist ein Land, an dessen gesellschaftlichen Herausforderungen gemessen das deutsche Projekt vom Zusammengehören von Ossis und Wessis sich geradezu wie ein Spaziergang ausnimmt.

Das Stadion in Greenpoint ist gefeierter neuer Bestandteil der Skyline Kapstadts.

Kein Wunder also, dass in Mzansi die Meinungen über Bafana Bafana gespalten sind: Während für die fußballbegeisterten Schwarzen 'die Jungs' unbedingte Sympathieträger sind, haben viele Rugby-begeisterte Weiße nur Hohn und Spott für die 'Gurkentruppe' übrig. „I support Arsenal,“ vertraute mir kürzlich eine junge Burin beim Bier an. Schade, dass die bei der WM nun nicht mitspielen. 1995 hatte Nelson Mandela in weiser Voraussicht den Rugby-Cup geschickt genutzt, um Einigkeit und Hoffnung in das vorher am Abgrund balancierende Land zu bringen. Ob dieser Erfolg wiederholt werden kann?

Football Friday jedenfalls ist bereits etabliert. Mehr und mehr Menschen tragen die südafrikanischen Farben mit Stolz - doch 660 Rand kostet das Fifa-genehme Trikot. Ein Tankwart verdient im Monat gerade mal 2000 Rand. Was ist der größere Skandal?

Macht sich auch auf weißer Haut gut:

Die Billig- Underground-Supporter-Variante.

Egal, die Straße entscheidet: Weil sich das Gros der Bevölkerung das offizielle Trikot gar nicht leisten kann, und Fälschungen drakonisch bekämpft werden, ist ein Kampf um das beliebteste Nicht-Fifa-Trikot entbrannt. Momentan am häufigsten auf den Straßen zu sehen ist ein Modell, das gute Chancen hat, das offizielle inoffizielle Südafrika- Shirt zu werden: Auf gelbem Grund ist einfach Bafana Bafana aufgedruckt. Den Begriff hatte sich nämlich eine südafrikanische Firma bereits schützen lassen, bevor die Fifa auf den Gedanken kommen konnte. Mzansi gewinnt!



10.5.10

Mzansifever

Eine Serie von Kaltfronten hat sich vom Zirkumpolarstrom losgerissen, und vertreibt den Spätsommer aus der Kaphalbinsel. Die klammen Finger bewegen sich mit den Zeitlupengliedmaßen eines halbgefrorenen Reptils über die Tastatur. In einem Monat soll hier Fußball -WM sein! Deshalb sprechen die Suedafrikaner ja auch von einem 'Wintersportevent' - den man in Durban trotzdem in Shorts ansschauen kann.

Merc'st du was? Auch das ist Kapstadt:
Sturm, Regen und ein einsamer Mann mit seinem Daimler.

Es ist gerade schwierig festzustellen, ob Mzansi dem sportlichen Großevent wirklich entgegenfiebert. Daran ist nicht nur das schlechte Wetter schuld - es ist auch nicht leicht zu sagen, wer Mzansi, alias the New South Africa, eigentlich ist. Begreift man eine Nation als die Summe seiner Individuen, müsste der Durchschnittslandsmann in Gestalt einer real existenten, eierspendende Wollmilchsau daher kommen. Multilingual, multireligioes, multikulturell, multikompetent. Leider wird aber das Gros der Talente und Ideen, die von dieser Hoffnung Afrikas für die Menschheit ausgehen koennten, nicht erkannt. Südafrika fährt weit unter Potential.

Fussball auf der Couch? Oder im Stadion?
Fuer die meisten Suedafrikaner ist ein Fifa Ticket nicht bezahlbar.

Stattdessen hat Mzansi eine gespaltene Persönlichkeit. Die identitätsstiftende Vergangenheit schon ist eine psychologische desaster area. Und von der Gegenwart ist man irgendwie noch weit entfernt. Die Zukunft? Enteignung der Weissen a la Zimbabwe oder sanfte Umverteilung des materiellen Gefaelles? Politischer Niedergang wie in den meisten anderen schwarzafrikanischen Staaten, oder langsames Reifen einer noch jungen Demokratie? Who knows, maybe the shit does hit the fan.

Freuen sich auf den Event - aber profitieren sie auch davon?
Die WM kann fuer Suedafrika auch zur Schuldenfalle und
Kristallisationspunkt der sozialen Spannugnen werden.


Für so manchen Fan, den die Scheisse in Gestalt eines Taschendiebstahls, einer Messerattacke nach dem Discobesuch oder einer HIV-Ansteckung ins Gesicht treffen wird, mag Südafrika verfluchenswert sein. Die Entscheidung, die WM hierher zu holen, war trotzdem richtig. Von diesem Event, so zersetzt von Profitgier, Mauschelei und Korruption er auch sein mag, kann nicht nur das Land, sondern der ganze Kontinent, womöglich die Welt, profitieren. Das Konzept des ubuntu, die Lebensfreude, die religioese Toleranz und die interkulturelle Idee sind Botschaften Suedafrikas an die globalisierte Gemeinschaft. Doch auch Amerika und Westeuropa müssen sich beweisen - der Erfolg der WM und dem barackschen "Afri can" hängt zu großen Teilen davon ab, wie intensiv sich auch die vermeintlichen Trendsetter der Zivilisation darauf einlassen, in den Dialog zu treten. Und helfen, Suedafrika fuer die Zeit nach der WM, wenn die Stadion leer stehen und die Fans nach Hause gereist sind, Perspektiven anzubieten.

Um Mzansi die Aufgabe leichter zu machen, und auf Dauer eine Gesellschaft im Einklang mit sich zu werden, gibt es viele gute und förderungswerte Projekte. Eine besonders intelligente Idee , die man auch von Deutschland aus unterstuetzen kann, findet sich hier. Wer segeln kann, ist auch fuer die Umschiffung gefaehrlicher Klippen bei den drohenden Winterstuermen gut geruestet.