Home: Die Werkstatt Südafrikablog: Kom die Kaap na!

28.3.09

Polemik ins Leere

Wenn ein Ehemaliger zu Besuch kommt, dann freut sich das Lehrer- und Mentorenherz. Dieses Gesicht hat man oft gesehen, je nach Umständen freundlich, wutverzerrt, mit Tränen in den Augen oder freudestrahlend. Sehr oft auch verschlafen. Die Freude schlägt in Verwunderung, ja Verletztheit um, wenn dieser Ehemalige sich aber im Ton vergreift - und in jugendlichem Redefluß jene Institution, die ihn geformt hat, mit unangebrachtem Spott überzieht.

Der Besucher erscheint zum Schulabend, und man klopft ihm auf die Schulter - es ist ein gern gesehener Gast. Dieser Mensch hat das Leben auf dem LGH-Campus mit seinen Sorgen, Bedürfnissen, Ideen und Aktionen beeinflusst, und damit die eigene Existenz berührt. Eine gemeinsame Wegstrecke hat man zurück gelegt, zusammen neue Dinge gelernt, hat oft auch gestritten, und sich schließlich am Ende verabschiedet, der Lehrer in der Hoffnung, diesem Menschen etwas mit auf den Weg gegeben zu haben, der Schüler wahrscheinlich im emotionalen Zwiespalt, einerseits froh, der Institution den Rücken kehren zu können, die nicht nur Vergnügungen bot, sondern auch Stress und Anpassung erforderte, andererseits wehmütig über das Verlassen dieses Ortes, der so etwas wie eine zweite Heimat geworden war, und einer Gemeinschaft, die trug.

Jetzt ist der Besuch also da – ein knappes Jahr nach seinem letzten Schultag - und fängt an, herumzumäkeln an den Fehlern des Systems. Nicht im privaten Rahmen, nicht in einer Diskussion, sondern öffentlich, vor der gesamten Schülerschaft. Witzig ist er, manchmal, treffend nicht immer. Seine Kritik ist mal zuckersüß, mal höhnisch. Man lacht am Anfang, doch mit wachsender Dauer der Veranstaltung stellt sich die Frage, was den jungen Herrn eigentlich dazu getrieben hat, sich zu diesem Zeitpunkt zu Aspekten der Schule zu äußern, die er selber gar nicht mehr miterlebt hat. Und über falsch, schlecht oder gar nicht verstandenen pädagogischen Konzepten eine ätzende Kritik auszuschütten, die ihn selber zu einem der erfolgreichsten Schüler der Institution gemacht haben. Und wann er endlich mal den Punkt findet – den Schlußpunkt am besten.

Das dauert. Ein ums andere Mal darf sich die Zuhörerschaft an trefflich vorgetragener Polemik erfreuen. Zum Beispiel die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern nimmt er zum Anlass, spöttisch zu werden. Freunde könne man nicht sein, wenn der eine dem anderen Noten und Hausaufgaben gebe, und die Bettzeit kontrolliere. Hat man also eine Beziehung? „Nein! Lächerlich!“ ruft der Redner, der sich langsam warm läuft - und vergisst dabei, dass es einen Unterschied zwischen Freundschaft und freundschaftlichem Umgang gibt, dass persönliche Nähe sehr wohl zu den Qualitäten des LGH gehört, und dass man wertschätzend darüber denken sollte, wenn man das nächste Mal zwei Tage vor Weihnachten eine Eilmail schreibt, in der man ganz dringend (am besten morgen) um ein Empfehlungsschreiben für die ein oder andere Uni der Ivy-League bittet.

Und das ganze Pädagogische Gedöns - ja darüber kann man wirklich lästern, am besten natürlich, wenn man weder Sinn noch Zweck verstanden hat. Schüler im Auswahlverfahren an die Wand kleben – Lächerlich! Wenn es tatsächlich so wäre, dass wir Schüler anhand ihrer Fähigkeit, Klebestreifen anzubringen, für unsere Schule auswählten, könnte man dem Redner ja Recht geben. Da er aber gar nicht dabei war, weiß er nicht, dass die Bewertung sich auf ganz andere, gruppendynamische Prozesse, die durch die vordergründige Aufgabe lediglich sichtbar gemacht werden, bezieht. Dies scheint leider auch für viele andere seiner Kritikpunkte zuzutreffen – er weiß gar nicht, wovon er redet. So etwa bei der Kritik am FVU – keine einzige Stunde dieses Unterrichts hat der, inzwischen völlig entfesselte, Kritiker selbst erlebt – für ihn ist die Lächerlichkeit ja schon aus der Ferne erkennbar.

Alles in allem fragt man sich, warum man sich das an einem Schulabend anhören sollte. Kritik schön und gut – aber in dieser Form? Als unangebrachte Anklage, die nicht mal einen anschließenden Dialog zulässt? Als Ehemaliger, der sich jetzt zum Rächer der armen, pädagogikgeschädigten Schülerschaft aufschwingt?

Man gewinnt den Eindruck, hier hole jemand das nach, wofür er damals, als man ihm Privileg um Privileg einräumte, Verständnis aufbrachte und ihm seine Erfolge ermöglichte, zu beschäfigt war, es mal anzusprechen. Und vielleicht sogar, dass diesem Menschen der Applaus fehlt, der ihm hier sicher ist - klar, wenn einer die Lehrer herausfordert, gewinnt man gleich Sympathien. Und der deshalb an alte Wirkungsstätte zurückkehrt, einige diskussionswürdige Fragen im Gepäck, die man in 5 Minuten darlegen und in derselben Zeit beantworten könnte. Statt dessen zieht sich der Monolog über eine Stunde dahin, die Kritik verliert en Humor, wird zur Polemik - und nur durch das beherzte Improvisieren zweier Lehrer erfriert mir nicht das Herz.

Ich sagte schon woanders - Dankbarkeit zu erwarten steht keinem Lehrer gut zu Gesicht. Aber an die alte Schule zurückzukehren, um sich derart verschwurbelt über den eigenen Stall auszulassen – that's just bad style, Mr G-Spot.

26.3.09

Post 100

Jubiläen haben ja einen besonderen Zauber - man blickt zurück und überschaut mit Wohlwollen die zurückgelegte Wegstrecke. Umso mehr freut es mich, dass ich meinen 100. Post auf diesem blog einer durchaus schönen Begebenheit widmen darf...

Man stelle sich vor, es ist Dienstag, kurz nach 17:00 Uhr, man sitzt in der GLK und fragt sich, was dieser Tag wohl noch so bringt, die Sekunden schleichen, da geht die Tür auf, und zwei quietschvergnügte fast-Abiturientinnen stehen im Raum. Nach einer kurzen Ansprache verteilen Sie auf edlem Papier gedruckte, persönliche Einladungen zum anstehenden Abi-Ball - dieses Jahr für Lehrer umsonst. Und - ebenso unvermutet wie sie gekommen sind, verschwinden Sie auch wieder - im Raum bleibt der warme Nachhall guter Beziehungen und gegenseitiger Wertschätzung. Nicht immer war ich von der Reife unserer Abiturienten so überzeugt wie diesesmal!

Gut gemacht, Abi '09!

17.3.09

Das Aufnahmeverfahren am LGH - Projekttage 2009

Das Landesgymnasium für Hochbegabte darf sich seine Schüler aussuchen - das ist ein großes Privileg, und so mancher Pädagoge wähnt hier ein Allheilmittel gegen unmotivierte Schulklassen und schlechte Leistungen. Doch das System hat auch seine Haken und Ösen. Denn wie ermittelt man die besten Kandidaten für ein Hochbegabteninternat? Wer ist denn überhaupt der "Beste" - wirklich der mit den besten Noten? Haben sogenannnte Underachiver am Ende nicht gar einen höheren moralischen Anspruch darauf, in einer Internatsschule besonders gefördert zu werden? Und was sollte man als Kandidat tunlichst unterlassen, um nicht von vorneherein von der Liste gestrichen zu werden?

Die Frage, ob das LGH eine Hochleister- oder eine Underachieverschule, oder am Ende sogar beides sein soll, ist so alt wie die Schule selbst - der ministerielle Beschluß sieht eine Aufnahme in Abwägung von Potential, Internatsfähigkeit und Leidensdruck der Schüler vor - Noten spielen nur eine untergeordnete Rolle. In der Praxis wagt das LGH denn auch in Vielem den Spagat zwischen Eliteförderung und Nachhilfe - sei es durch die Mathe- und Sprachenschienen, sei es durch die vielfältigen Addita, Spitzenförderungskurse und Nachhilfeangebote. Es läßt sich aber auch nicht abstreiten, daß für das unterrichtliche Alltagsgeschäft die große Heterogenität der Schüler, was Leistungsbereitschaft und Vorwissen angeht, eine der größten Hürden darstellt - auch wenn die im ersten Jahr von so manchem Meinungsführer des Kollegiums abgegebenen rabenschwarzen Prognosen betreffs der Zukunft des LGHs sich als haltlos heraus stellten. Es liegt aber in der Natur der LGH-Lehrer, gute Schüler zu wollen - ganz im Widerspruch also zu jenem Zitat von Herrman Hesse, nachdem der landläufige Pädagoge lieber zehn Esel in der Klasse habe als ein Genie.

Hochbegabte Schüler, wie man sie am liebsten hat.
Ein Endergebnis des "Soft Skills" Projektes bei den 7-ern in diesem Jahr.

Um für die real-existierende bunte LGH-Mischung beim Leben und Lernen die richtigen Mitspieler auszuwählen, wird auf ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren gesetzt, bei dem möglichst viele Stimmen gehört werden - Schulleitung, Kompetenzzentrum, Kollegium, Schüler. Alle bewegt die eine grundsätzliche Frage, ob man sich mit dem Kandidaten XY eine gute Zusammenarbeit vorstellen kann. Dazu folgt auf ein erstes Motivationsschreiben der Intelligenztest - ist dieser (bei einem IQ über 120) bestanden, werden die Kandidaten zum Projektwochenende eingeladen. Hier soll den Kandidaten in fünf verschiedenen Projekten (die wenig mit normalem Unterricht gemein haben) und anhand einer Übernachtung im Internat genügend Darstellungs- und Reibungsfläche geboten werden, um die Eignungsfrage möglichst übereinstimmend zu beantworten.

Dabei ist ein großer Unterschied zwischen den Projekttagen für die neu aufzunehmenden 7er und 10er zu erkennen - je jünger die Schüler, um so schneller hat man einen ersten Eindruck. Denn schon bei der Begrüßung der 7er kann sich der Beobachter seinen Teil denken - wer in der Aula schreit, tobt, und über den Flügel klettert, wird es später schwer haben, das Auswahlgremium zu überzeugen. Die älteren Schüler dagegen sind sich der Prüfungssituation viel eher bewusst, und verhalten sich unter Umständen auffällig ergebnisorientiert, was mitunter zu humoristischen Einlagen führt, nach dem Motto "Unsere Tester wollen dies und das von uns sehen, also machen wir das jetzt so und so!" Authentizität wäre hier eine bessere Taktik, letzten Endes muss der Kandidat ja auch heraus finden, ob das LGH für Ihn oder Sie die richtige Schule ist - und nicht nur umgekehrt. Und wichtiger, als ein gutes Ergebnis in den Projekten einzufahren, ist es, die Mentoren und Schüler menschlich zu überzeugen. Ein Rat auch an die Eltern - so wichtig uns die vertrauensvolle Arbeit ist, so wenig überzeugt uns ein allzu auffällige anbiederndes Verhalten...

Solange die Bewerberzahlen konstant hoch bleiben, stellt dieses Verfahren annährend sicher, daß auch genügend geeignete Schüler aufgenommen werden. Natürlich, und das wurde hier ja auch schon diskutiert, gibt es so manchen Fehlgriff. Für das LGH im Ganzen ist aber allenfalls bedenklich, daß durch die nun inzwischen bei Klasse 7 angekommenen Hochbegabtenzüge in Baden-Württembergischen Gymnasien eine Veränderung im Profil der Bewerber auftreten könnte, mit Tendenz zu mehr 'Problemschülern', die von zu Hause oder von Schulen ins Internat 'abgeschoben' werden müssen. Interesant ist in diesem Zusammenhang auch, dass es in diesem Jahr zum ersten Mal seit Bestehen der Schule keinen Zuwachs in den Bewerberzahlen zu verzeichnen gab - trotz großer Medienpräsenz im vergangenen Jahr. Der große Andrang der Hochbegabten auf entsprechende Institutionen scheint sich also langsam zu verteilen.

Persönlich meine ich bei diesen 7er Projekttagen beoabachtet zu haben, dass viele der Kandiaten sich ungewöhnlich laut, ungewöhnlich aggressiv präsentiert haben. Mag sein, dass ein fortgeschrittenes Alter mit einhergehender herabgesetzter Lärmtoleranz, eine sich im Hintergrund anschleichende fiebrige Erkältung, oder die Gewissheit, zum letzten Mal dabei zu sein, diese Empfindung beeinflußt haben.

Es liegt aber in jedem Fall nun am Auswahlkomitte, sicher zu stellen, dass das LGH seiner bisher erfolgreichen Linie treu bleibt, und weder eine reine Leistungsanstalt noch eine Schule für Problemfälle wird.

8.3.09

Freitag nachts im Wald - ein LGH Moment

Was tun mit meinen Jungs an einem Freitag Abend im März? Wenn draußen der liebe Gott Schneeregen unfreundlich aus einem grauen Himmel schüttet, die Temperaturen sich nur knapp über den Gefrierpunkt erheben, und in der WG ermatteter Mief einer anstrengenden Schulwoche in der Luft liegt?

Klarer Fall, man eröffnet die Grillsaison! Zieht warme Kleidung an, packt die Feuerschale ein und wandert durch den nächtlichen Wald - Würstchen, Marshmellows und Feuerholz unterm Arm... Bei dem Wetter? Du spinnst! Die Kollegen feixen - und hocken in der Sauna oder beim Regelverstoßdiskussions-abend. Meine eigene Zweifel schlagen die Jungs in den Wind – die Aktion ist cool und klar machen wir das!

Ob in Nietenlederjacke oder Nike-Stretch, ob mit Kampfstiefeln oder profillosen Turnschuhen, sie rutschen tapfer den Berg hinauf, ein bunter Haufen Teenager mit ihrem alten Lehrer. Zwar fragt einer schon nach der ersten Biegung, wann es denn endlich nach Hause geht - doch selbst diesem Kommentar gelingt es nicht, die Stimmung zu verderben, der Wald liegt verzaubert unter weißem Matsch, wir schlittern und schwitzen und stützen uns gegenseitig, und einer verliert seinen Schuh im Schlamm.

Dann haben wir unseren Platz gefunden – irgendwo mit Blick auf die Fabrikhallen der Oststadt unter uns, im Stillen Wald, ein Hase quert verängstigt, auf dem Weg kreuzen wir die Spuren eines Rehs – hier ist es gut, die Feuerschale wird abgesetzt, das Holz, ach es ist feucht geworden, wir geben unser bestes und pusten die zögerlichen Flammen immer wieder zu neuem Leben, doch das Feuer fängt nicht, rauchende Glut ist das Resultat. Ich habe am Schluß einen roten Kopf und eine halbe Rauchvergiftung, die Hitze reicht fast nicht zum Marshmellow-schmelzen, die Würstchen bleiben eingepackt. Irgendwann geben wir auf, doch unter Gelächter nehmen wir die Niederlage gegen die Witterung hin, löschen das Glimmen mit frischem Urinstrahl – und machen uns Schneeball werfend auf nach Hause, wo wir die Würstchen in der Pfannen braten und hinterher die Marshmellows in deren Fett auslassen. Eine Gitarre ist dabei, wir fläzen in der Sofa-Ecke und spülen irgendwann zusammen

- und etwas später gehen alle glücklich ins Bett.


3.3.09

Cold Caffeine Turkey


It is that time of year again - early spring demands physical exertion and healthy living. As in previous years I have vowed to abstain - amongst other pleasantries - from all caffeine for six weeks. Mind you, not because of a religious background whatsoever, just out of the conviction that twelve espressos per day cannot be wholesome in the long run - and that there is nothing wrong in downsizing Western lifestyle amenities from time to time to renew your appreciation for them.
So, with full moral conviction and plenty of determination I braced myself - for I know from experience what things were to come... The immediate impact of complete caffeine abstinence was a severe headache that slowly evolved over five days from a mind-splitting pain pulsing in the frontal and temporal lobes to a deep numbing throb of the brain stem. Then it was over. Thankfully, I had a complete week of winter holidays, so I did the best thing possible under the circumstances - sleep till the whole thing blows over (the concept of hibernation is one I'd strongly advocate for various challenges of existence - winter,in FSG for instance).
Now, I am slowly beginning to feel the positive effects of caffeine-abstinence: a heightened level of awareness and higher productivity - which of course is extremely helpful considering the challenges lying ahead in the five weeks to come: Cape Windjammers e.V. Foundation Act, Project Days for new students, the BIG A, and of course more and more intense work on the musical (take a listen).

If only the darn stuff didn't taste so good.