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14.6.09

Die homöopathische Dosis - Quecksilber und Quacksalber

Die Methoden der modernen Verbraucherindustrie lassen den aufmerksamen Betrachter ja durchaus das ein oder andere Mal laut "Scheiße" schreien. Ängste, Sehnsüchte und Manipulierbarkeit der krisengeschüttelten Bevölkerung werden zum Beispiel von den Paranoikern der Versicherungsgesellschaften, den Haien der Bezahlverlage, und den Scharlatanen der Wasserbeschwörer ausgenutzt, um Gewinn zu generieren und ihre eigenen Mäuler zu stopfen. Manche der dabei etablierten Meme sind hanebüchen - und nur schwer wieder aus dem kollektiven Bewustsein zu drängen. Droht der Zivilisation das Aus durch Verblendung und Verblödung? Die Analyse des Beipackzettels einer Homöopathischen Hautcreme spricht jedenfalls dafür.

Das Daumengrundgelenk meiner linken Hand schmerzt, seit ich damit letzte Woche einen Sturz, der durch einen mit moderater Geschindigkeit auf mein Jochbein servierten Baseball hervorgerufen wurde, ungeschickt abfing. Die Salbe, die mir daraufhin mein Arzt verschrieb, scheint bislang gut zu helfen. Es ist ein Heilmittel natürlichen Ursprungs zum Auftragen auf die Haut - alle Inhaltsstoffe sind pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Urpsrungs, so der Hersteller. Klingt gut, rein und harmlos? Von wegen.

Jede Menge Pflanzen stecken drin, das kriegt man schon auf der Verpackung mitgeteilt, und was pflanzlich ist, kann ja gar nicht schlimm sein. Die Auflistung der Inhaltsstoffe liest sich dann aber wie ein Auszug aus der Enzyklopaedie der psychoaktiven Pflanzen. So darf neben dem harmlosen Gänseblümchen Bellis perennis natürlich die ubiquitäre Calendula nicht fehlen, und wo die sich versteckt, ist auch Arnica nicht weit. So weit, so langweilig. Doch dann dreht die Salbe auf. Vielleicht ein wenig Atropa belladonna gefällig? Das Gift der Tollkirsche hat ja schon im Mittelalter seine vielfältige Anwendbarkeit bewiesen, genauso wie eine der giftigsten Arten Mitteleuropas, der Eisenhut Aconitum, und diverse andere potente Giftpflanzen der Euphorbia Gattung. Ein wenig Rätselraten ist bei dem nächsten Inhaltsstoff gefragt: Mercurius solubilis? Der Botaniker kratzt sich am Kopf. Vielleicht eine Asteracea? Hmmmm.

Erst in einem etwas unscheinbar gehaltenen Teils des Beipackzettels wird man aufgeklärt. Bei Mercurius solubilis handelt es sich nicht um eine Pflanze, sondern schlicht und einfach um Quecksilber. Ach ja, rein mineralischen Ursprungs. Ich lach mich tot. Nun, es mag ja stimmen, dass die Dosis das Gift macht, und es würde mich nicht wundern, wenn das Quecksilber die einzig medizinisch wirksame Komponente in der Salbe darstellte. Und gewiß werde ich die Behandlung fortsetzen.

Doch ich würde schon gerne wissen, wieviele überzeugte Antroposophen sich dessen bewusst sind, dass sie sich mit einer schwermetallhaltigen Salbe eincremen, wenn sie darauf schwören, ihre Gebrechen nur mit homöopathischen Mitteln zu heilen. Und wie sich die Salbe verkaufen würde, wenn statt "Enthält nur natürliche Wirkstoffe" dezent "Quecksilberhaltig" auf der Verpackung prangte.

5 comments:

Lieschen said...

Aber wer liest schon noch den Beipackzettel oder macht ich überhaupt Gedanken über so etwas. Ich meine, die nehmen doch alle, was ihnen vorgesetzt wird und wenn es noch natürlich sein soll, dann ist es auf jeden Fall gut für die einen und nicht wirkungsvoll für die anderen. Dabei weiß ja keiner mehr, was er eigentlich zu sich nimmt. Die Menschheit verblödet eben doch durch ihre Ignoranz.

Anonymous said...

Schade - wer einen literarischen Anspruch hat, sollte sich dem Anreiz solch populistisch geprägter Beiträge entziehen können. Keine Ahnung von dem der Homöopathie zugrunde liegenden Wirkungsprinzip (Ähnlichkeitsprinzip) und der Herstellungs- sowie Wirkweise der entsprechenden Mittel und dazu eine lediglich oberflächlich durchgeführte Recherche verkommen hier zu zynischer und verurteilender Schreibweise.
Hier wäre ein fragender, interessierter Schreibstil wohl angebrachter gewesen. Freilich wäre dies populistisch natürlich nicht ganz so interessant (oder provokativ?), hätte dem sonstigen Anspruch aber ehr Rechnung getragen.

M.

Ulf Iskender Kaschl said...

Liebe(r?) M.

Danke für den 'literarischen Anspruch' - allerdings habe ich weder etwas über das homöopathische Prinzip gesagt, von dem ich in der Tat keine Ahnung habe, noch war das meine Absicht. Mich interessieren
vielmehr die Schachteln und Verpackungen, mit der der Mensch seine Welt wahrnimmt, um das Gefühl zu haben, ihrer Herr zu sein - und die ironischen Verkehrungen, die sich daraus ergeben.
Beste Grüße,
Ulf

Tobias said...

@M: Das "Ähnlichkeitsprinzip" ist mit Sicherheit nicht der Wirkungsmechanismus der Homöopathie. Das einzige was da wirkt, ist der Placeboeffekt.
Da hilft auch Voodoo bei der Herstellung nicht.

Stormcrow aka Sven said...

@ Ulf: Sehr schöner Beitrag, hab mich in letzter Zeit selbst mit Beipackzetteln beschäftigt (was man nunmal tut wenn man neue Medikamente kriegt und nicht völlig durchs Hirn geschossen ist wie leider viel zu viele Leute) und bin ebenfalls auf jede Menge interessantes Zeugs gestoßen. Zum Beispiel eine ansehnliche Anzahl Säuren (insgesamt 17 verschiedene) und ähnlich unangenehmes Zeugs. Aber solange es hilft... ;)

@ M.: Klar, Literarisch mag dieser Artikel unter Umständen dem Germanistik-Professor oder ähnlich gehobenem Leser nicht ganz den Kriterien eines Distanzierten, Wissenschaftlichen Berichts entsprechen. Ist aber auch, soweit ich das beurteilen kann, eher eine persönliche Meinung von einem, der das zwar nicht studiert hat, aber dennoch eine Menge Ahnung hat.

@ Tobias: Doch, das Ähnlichkeitsprinzip IST die Grundlegende Idee der Homöopathie, und ich bezweifle dass ALLES daran nur auf Placebo aufbaut. Sonst würde es wohl kaum funktionieren Ausschläge mit Urtica Urens, will meinen Brennnessel, zu behandeln...

Stick to your way und Grüße aus dem nicht ganz so hohen Norden