Home: Die Werkstatt Südafrikablog: Kom die Kaap na!

29.4.10

Mord nach Sonnenaufgang oder Die Schule des Überlebens

Unzählige Tierfilme dokumentieren die Jagd von Raubkatzen auf ihre Beute. Mit aufwendiger Technik wird Löwe und Co. nachgestellt, um die dramatischen Szenen, je nach Qualität des Senders oder Anspruch der Produktionsfirma informativ, trashig oder sensationsheischend aufbereitet, ins heimische Wohnzimmer zu bringen. Eine Gepardenjagd in freier Wildbahn, live und ungeschnitten, beeindruckt vor allem durch Abwesenheit der menschlichen Perspektive.

Kalahari in der Regenzeit: Wo sonst nur roter Sand sich erstreckt,

ist der Tisch fuer Herbi- und Carnivor nun reich gedeckt.


Es ist kurz nach halb acht Morgens. Die letzten rosa Schimmer verschwinden aus dem stetig tiefer werdenden Blau des Kalaharihimmels. Die Nacht war frisch, auf unserem Zelt lag Tau, nur langsam wird es wärmer. Schweigend tuckern wir mit 27 Käfer-PS durch den Kgalagadi Transfrontier Park, einem der größten zusammenhängenden Naturresevate der Welt, gelegen im Grenzgebiet von Südafrika und Botswana. Trotz seiner Größe ist der Park wenig besucht: seine Abgeschiedenheit und die rustikale Infrastruktur machen ihn für die großen Touristikanbieter eher uninteressant, und wer privat hierher will, muss im Great Karoo Meilen fressen. Zudem ist die Landschaft karg, die roten Sanddünen bieten dem Auge wenig Trost, Flora und Fauna sind für ungeübte Augen weit weniger üppig als beispielsweise im Krüger Nationalpark. Doch für viele Südafrikaner ist dieser Fleck die eigentliche Perle des Landes - das ist Land harsch, aber ursprünglich, einsam, aber weit. Und wer die größten wilden Löwen sehen will, kommt hierher.


Es muessen nicht immer die 'Big Five' sein.

Auch die kleinen Tiere kommen in der Kalahari recht gross raus.


Wir fahren durch das trockene Bett des Nossob-Flusses, passieren friedlich grasende Gnus, Oryx-Antilopen, und die anmutigen Springböcke, die im weichen Licht des Morgens äsen. Mein Blick schweift langsam über die Landschaft: Die Regenfälle der letzten Wochen waren ergiebig, die sonst rot, trocken und sich endlos erstreckenden Sanddünen sind unter dichtem Grün verborgen. Plötzlich entdecke ich eine Silhouette, die mich auf die Bremsen steigen lässt.


Schattenplatz: Bei 45 Grad bietet ein Beetle willkomene Abuehlung fuer so manchen Mungo.


Die Situation ist aus unzähligen Filmen so vertraut, dass das Reale des Moments seltsam unwirklich erscheint: Zwei junge Springböckchen sind beim Spiel etwas hinter der langsam ziehenden Herde zurück gefallen. Und, wie von Sir Attenborough persönlich bestellt, duckt sich ein Schatten ins falbe Gras. Der Blick durch den Feldstecher bestätigt die Ahnung: Ein Gepard wartet dort in der Deckung, keine fünfzig Meter von uns und den leichtsinnigen Böckchen entfernt. Doch da! - zwei weitere Schatten schleichen sich seitlich an. Das ist ungewöhnlich, jagen Geparden doch alleine, schießt es mir durch den Kopf, und bevor der Gedanke noch zu Ende gebracht werden kann, brechen zwei halbwüchsige Geparden aus dem Dickicht auf die Böckchen zu. Diese wenden panisch, stieben kopflos davon, behindern sich auf ihrer Flucht gegenseitig, die restliche Herde flüchtet hysterisch das Flussbett entlang. Wir starren gebannt, vergessen schier zu atmen, als das Muttertier sich nun an der Jagd beteiligt, und die eine Antilope direkt auf uns zu treibt. Drei gefleckte Raubkatzen und eine stumm flüchtende Antilope rasen keine fünf Meter an unserem Beetle vorbei, der Bock schlägt Haken, doch es gibt kein Entkommen: ein Schlag mit der Pranke gegen den Hinterlauf, das Opfer strauchelt, fällt, ein letzter Schrei, dann sieht man nur noch aufgeregt peitschende Katzenschwänze aus einer Staubwolke emporragen.


Fuer das passende Fahrzeug hat es dann wohl nicht mehr gereicht:

Bei Profifotografen, und solchen, die es werden wollen, ist der Kgalagadi Park besonders beliebt.


Überzeugt, dass es nun um die kleine Antilope geschehen ist, schauen wir uns an, sprachlos. Doch es ist noch nicht vorbei: Plötzlich springt das Opfer auf, und rast erneut davon! Die beiden jungen Geparden hechten hinterher, die Mutter trabt fast gemächlich in einigem Abstand. Wieder bringt ein Prankenhieb die Beute zu Fall, wieder verschwindet alles in einer Staubwolke – und das Spiel beginnt von Neuem. Langsam dämmert mir, was hier geschieht: Noch haben die Jungtiere den Tötungsbiss nicht in ihrem Verhaltensrepertoire. Leoparden durchbeißen das Genick, Löwen reißen Schlagader und Luftröhre auf, doch Geparden haben kurze Zähne: ihre Opfer werden im Schraubstock des Gebisses erstickt. Geduldig lässt die Mutter zu, dass ihrem Nachwuchs das Böckchen immer wieder entspringt, eine halbe Stunde lang wiederholt sich die Szene. Die Springbockherde steht keine hundert Meter entfernt, schnaubend und witternd. Schließlich wenden sie sich ab, wie auf ein stilles Signal, der Fall ist verloren, das Kitz bereits tot, obwohl es noch gut vernehmlich blökt und schreit.


Begegnung der vierten Art:

Bei naechtlichem Toilettengang macht man Bekanntschaft mit allem moeglichen Geziefer.


Uns kommt es vor wie eine Ewigkeit, bis der letzte Huf verzweifelt in die Luft schlägt, der letzte Hilferuf klagend verhallt. Es dauert eine weitere Stunde, dann ist von der Beute nichts als Gehörn und Knochen übrig. Die Katzen lecken sich gegenseitig das Blut aus dem Gesicht, Mutter und Kinder balgen noch einige Minuten verspielt, dann ist die Hitze zu groß, der Tag zu grell. Drei sehr zufriedene Geparden räkeln sich hohen Gras, und sind dann still, bis ihre Umrisse im Schatten einer große Akazie verschmelzen.


Streifengnu: Fuer uns irgendwie der Hippie unter den Antilopen.

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